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Havellandhof Ribbeck

Brandenburger Agrarwende: Alles Öko, oder was?!

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Der Landesbauernverband Brandenburg - bislang Garant für eine stramm konventionelle Wirtschaftsweise. Doch nun die Überraschung: Das gerade veröffentlichte erste Leitbild des Verbands plädiert für Nachhaltigkeit, artgerechte Tierhaltung und den langfristigen Erhalt von Wasser, Boden und Luft.

Konventioneller Bauer goes Öko.
Oder geht es nur um einen grünen Anstrich?
Klartext zeigt die Hintergründe.

Ein Albtraum: ganz plötzlich ein gewaltiger Sandsturm mitten auf der Autobahn. S Sie erinnern sich: vor drei Wochen auf der A 19 in der Nähe von Rostock. Es war die schlimmste Massen-Karambolage der deutschen Nachkriegsgeschichte. Acht Menschen sterben, über 100 werden verletzt. Die Ursache: loser Ackersand, der von einer heftigen Windböe auf die Autobahn geweht wurde. Die Gefahr solcher Sandböen besteht durchaus häufiger. Auch in Brandenburg, wie Andrea Everwien zeigt. Denn viele Böden bestehen nur noch aus pulverigem Sand, weil sie über die Jahre immer mehr Ertrag abwerfen mussten.
So sieht ein Acker in Brandenburg aus, wenn er über Jahre konventionell bearbeitet wurde: die Humusschicht ist weitgehend zerstört. Ein heftiger Sturm - und am Ende bleibt nur Dünensand zurück. Chrysanthemum

Peter Kaim, Landwirt„Man sieht ja...der gute wertvolle Lehmboden ist alles weggeflogen. Der gröbere Sand ist hier noch gelandet an der Hecke, ja, ein Rückschlag für etliche Jahre wieder auf dem Acker."
Peter Kaim ist Landwirt in Ribbeck. 150 Milchkühe, 800 Hektar Weideland und Ackerboden - bis vor fünf Jahren hat Kaim hier überall ganz konventionell gearbeitet.

Pflügen, eggen, säen - und immer ordentlich Kunstdünger aufs Feld, um die Erträge zu steigern. Immerhin müssen der Bauer und acht Angestellte mit ihren Familien davon leben können. So machen es 90 Prozent der Bauern in Brandenburg, so hat es auch der Landesbauernverband immer empfohlen: Erträge steigern durch intensive Landwirtschaft. Doch aus eigener Erfahrung hat Kaim gelernt: Diese Praxis bietet ihm keine Zukunft - denn er verliert so auf Dauer sein wichtigstes Kapital: den fruchtbaren Boden.

Die Woche vor Ostern auf Schloss Ribbeck. Der Landesbauernverband Brandenburg begeht sein 20-jähriges Bestehen. Peter Kaim appelliert an seine Kollegen, ihre jahrzehntelang ausgeübten Methoden der intensiven Landwirtschaft auf den Prüfstand zu stellen.

Peter Kaim, Landwirt„Wir müssen uns ja dem Klimawandel stellen und nachdenken: Wie erhalten wir unsere Böden weiterhin fruchtbar und ertragreich?"
Seit letzter Woche propagiert man deshalb beim Landesbauernverband ein neues Ziel: Nachhaltigkeit. Im soeben verabschiedeten Leitbild heißt es:

Zitat„... die Vermeidung von Belastungen für Wasser, Boden und Luft bestimmen 'die gute landwirtschaftliche Praxis' auch in einer ertragsorientierten Landwirtschaft."
Bodenfruchtbarkeit erhalten - und trotzdem auf Ertrag hin orientieren? Wie kann das zusammen gehen?

Seit fünf Jahren verabschiedet sich Peter Kaim in kleinen Schritten vom Pflügen und dem Einsatz immer größerer Mengen Kunstdünger. Stattdessen sät er in den ungepflügten Boden - stellt jedes Jahr einen weiteren Acker auf die sogenannte „Direktsaat" um.

Peter Kaim, Landwirt„Hier war als Vorfrucht Mais gestanden, und in den Mais haben wir ohne jede Bodenbearbeitung in Direktsaat die Wintergerste gedrillt."
Zwischen die Gerste pflanzt Kaim jetzt Gras, Wicken und Klee - Leguminosen, das sind Pflanzen, die Stickstoff im Boden binden können. Schon damit spart er Kunstdünger. Der weitere Vorteil der Untersaat: Wenn im Sommer die Gerste geerntet wird, ist der Acker schon wieder von Gräsern, Wicken und Klee bedeckt.

Peter Kaim, Landwirt„Wir haben bei uns keinen kahlen Acker. Bei uns sind alle Flächen mit Untersaat versehen oder mit Zwischenfrüchten."
Weil der Acker nicht gepflügt wird, liegt er nie kahl. Die Folge: ein kühles Bodenklima, idealer Lebensraum für Tausende sehr lebendiger Regenwürmer. Sie ersetzen Peter Kaim den Pflug.

Peter Kaim, Landwirt„Wenn man sich jetzt einmal den Boden anschaut, was der für ein Drainagesystem hat - Lebendverbauung. Und die Wurzeln, die sind ja auch intelligent, die Wurzeln suchen sich ja auch den einfachsten Weg, die gehen dann den Röhren nach. (...) Die Regenwürmer bearbeiten uns den Boden, die graben sich von oben nach unten und von unten nach oben und das führt zu einem gut durchlüfteten Boden."
So bleibt der Acker locker, ganz ohne Pflug - und die Pflanzen können Wurzeln schlagen bis zu einer Tiefe von fast einem Meter. So weit kann Peter Kaim seinen Messstab mühelos in die Erde schieben. Er ist zufrieden mit seinen kleinen Helfern.

Denn die Würmer leisten noch mehr: Sie ziehen die Reste abgeernteter Pflanzen in den Boden, verdauen sie und setzen dabei langsam den darin gespeicherten Stickstoff frei - Nahrung für die nächste Pflanzengeneration. So wird Humus aufgebaut.

Peter Kaim, Landwirt„Schauen Sie mal hier, sehen Sie, wie die Organik eingezogen worden ist von den Regenwürmern - in den Boden. Das Rapsstroh fressen alles die Würmer auf. Und ich mach' natürlich hervorragendes Nährstoff-Recycling, indem ich die 100 Kilo, 120 Kilo Stickstoff letztes Jahr im August auf dem Feld liegen lasse und langsam meinem Kreislauf wieder zuführe durch die Zersetzung der Regenwürmer."KLARTEXT„Wo ist der Stickstoff?"Peter Kaim, Landwirt„Der Stickstoff ist hier noch drin, in der Organik."KLARTEXT„Und warum ist das gut, das so liegen zu lassen?"Peter Kaim, Landwirt„Weil mir das bares Geld spart, ich muss ja keinen Dünger zukaufen."
Ökologie ist Ökonomie: Peter Kaim führt es vor. Zwar muss er etwa sieben Jahre lang auf maximale Erträge verzichten. Dafür baut er aber langfristig wieder eine Humusschicht auf, die ihm den Boden erhält. Eine Investition in die Zukunft.

KLARTEXT„Aber sie können ökonomisch damit leben, oder?"Peter Kaim, Landwirt„Ich kann ökonomisch damit leben, weil ich natürlich jetzt schon in meiner Übergangsphase weniger Betriebsmittel einsetze, sprich weniger Diesel, weniger Maschinenstunden, weniger Arbeitsstunden pro Hektar habe und die 80 bis 100 Euro pro Hektar, die ich jetzt vorweg nicht investiere in den Boden, die muss ich ja schon als Ertrag nicht holen…"KLARTEXT„Aber maximalen Gewinn holen sie so aber nicht raus aus ihren Böden?"Peter Kaim, Landwirt„In der Übergangszeit nicht, ich bin aber relativ sicher, nach der Übergangszeit werde ich das Maximale da herausholen, weil ich ja wesentlich fruchtbarere Böden habe."

Peter Kaim und seine Direktsaat: ein Modell, das Erfolg verspricht. Auf Kaims Äckern wird es in Zukunft weder Wüsten noch Sandstürme geben. Allerdings: Unter Brandenburgs konventionell wirtschaftenden Bauern ist er bisher eine Ausnahme.

KLARTEXT„Eine letzte Frage noch: Wie viel Prozent, denken Sie, der Landwirte in Brandenburg arbeiten so wie Sie?"Peter Kaim, Landwirt„Nicht mal ein Prozent."KLARTEXT„Nicht mal ein Prozent?"Peter Kaim, Landwirt„Ja."


Autorin: Andrea Everwien in rbb-klartext vom 27.04.11

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